Der Tod reißt uns einen geliebten Menschen fort – aber es ist der Abschied, der uns hilft, weiterzuleben.
Manchmal ist dieser Abschied ein bewusster, inniger Moment voller Frieden. Manchmal bleibt er unvollständig, ein Riss im Gewebe der Zeit. Und manchmal wird er Menschen verwehrt, weil kein Raum dafür da war, kein Ritual, keine Worte. Ich weiß, wie das ist.
Ich gestalte Trauerfeiern, weil ich mit meinen Worten Halt geben kann, wenn der Boden unter den Füßen wankt. Denn ein bewusst gestalteter Abschied schlägt Brücken zwischen Schmerz und Erinnerung, zwischen Verlust und Weiterleben.
Viele Frauen erleben es. Ein Kind, das man sich so ersehnt hat, macht sich auf den Weg – und dann lebt es nicht. Eine Welt und so viele Träume um dieses Leben brechen zusammen, für Mütter, für Väter. Für Großeltern und Geschwister.
Heute darf betrauert werden. Heute gibt es Rituale, dieser geliebten Seele eine Stimme zu geben, ihr einen Platz in unserem Leben zu schenken. Denn auch eine kurze Lebenszeit hinterlässt Spuren – in uns, in unserer Geschichte, in allem, was wir sind.
Ich kenne diesen Schmerz. Das Gefühl, dass etwas fehlt, das seinen Platz nie wirklich bekommen hat. Aber es gibt Wege, dieser Liebe Ausdruck zu verleihen.
Eine Zeremonie kann bewahren, was nicht verloren gehen soll. Sie kann Stille in Worte fassen und Trauer in Erinnerung verwandeln – damit das, was so früh endete, dennoch bleibt.
Es gibt Verluste, die eine Vielzahl schwerer Gefühle hinterlassen. Suizid war lange eines dieser Tabus – genauso wie der frühe Verlust eines Kindes, das Sterben nach langer Krankheit oder ein Abschied, der von Konflikten überschattet war. Und oft bleibt eine Frage zurück, auf die es keine wirkliche Antwort gibt: Warum?
Wenn Worte fehlen, bleibt oft nur das Schweigen – doch gerade dann braucht es eine Sprache. Eine Zeremonie kann helfen, das Unsagbare zu berühren, dem Schmerz Gestalt zu geben und all das zu würdigen, was bleibt. Nicht, um das Warum zu beantworten, sondern um den Menschen sichtbar zu machen, der gegangen ist. Und um jenen, die bleiben, einen Ort zu geben für ihre Trauer, ihre Erinnerungen, ihre Liebe. Denn am Ende zählt nicht das WARUM. Sondern das WER – und das WIE wir weiterleben.
Ich gestalte Abschiede, die ehrlich sind, ohne Beschönigung – aber mit Trost. Denn jeder Mensch verdient es, in Liebe verabschiedet zu werden.
Es gibt Momente im Leben, die sich tief in die Seele eingraben. Für mich war es die Nacht vor dem Tod meiner Mutter. Die Stille zwischen uns, das Wissen um das unausweichliche Ende – und doch eine Zweisamkeit, die reiner war als alles, was wir bis dahin geteilt hatten. Ich badete sie, Rollen verschwammen. Wer ist Mutter? Wer das Kind? Es war ein heiliger Moment, jenseits von Zeit und Raum.
Dieser Moment hat mich verändert. Er hat mir gezeigt, dass Abschied mehr ist als Schmerz. Dass darin eine Kraft liegt, die trägt. Und dass wir den Tod nicht fürchten müssen, wenn wir ihn bewusst anschauen.
Wenn Menschen wissen, dass ihr Abschied näher rückt, wenn die Zeit endlich wird – und sie dennoch selbst entscheiden möchten: Wie sie gehen wollen, in welcher Atmosphäre, mit welchen Worten.
Ich begleite auch die Menschen, die sich mit dem eigenen Ende befassen und ihre Trauerfeier selbst gestalten möchten. Die bestimmen wollen, was von ihnen bleibt – welche Geschichten erzählt, welche Lieder gespielt werden. Damit ihr Abschied nicht nur ein Loslassen ist, sondern ein bewusster letzter Akt ihres Lebens.
Es gibt Verluste, die sich über Jahre erstrecken. Wenn Demenz ein vertrautes Gesicht fremd macht, Erinnerungen verblassen und Sprache brüchig wird, beginnt der Abschied lange vor dem letzten Atemzug.
Doch wann geht ein Mensch wirklich – mit dem Verlöschen seiner Persönlichkeit oder erst mit dem Tod?
Ich begleite Angehörige dabei, diesen langen Abschied bewusst zu gestalten. Mit Momenten, die erinnern, mit Worten, die noch gesagt werden können.
Und wenn der endgültige Abschied kommt, soll die Trauerfeier mehr sein als ein Moment des Verlustes. Sie darf erinnern, bewahren, erzählen – von dem, was war, und von dem, was bleibt.
Denn auch ein langer Abschied braucht einen Punkt des Innehaltens, einen Moment, der ihn trägt.
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